Lneburg (ots) – Die umfassenden Aussphaktionen des US-Geheimdienstes NSA belasten die transatlantischen Beziehungen. US-Prsident Barack Obama hat nun in einem Telefonat mit Kanzlerin Angela Merkel zwar versichert, dass er die Bedenken der europischen Partner sehr ernst nehme und Informationen ber die NSA-Aktivitten zur Verfgung stellen werde, aber der Vertrauensverlust ist gro. “Von Partnern in einer Wertegemeinschaft muss man erwarten, dass sie fundamentale Freiheits- und Brgerrechte verteidigen und nicht auer Kraft setzen”, sagte der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach im Gesprch mit unserer Zeitung. Er fordert, dass die am Montag beginnenden Verhandlungen ber ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA ergnzt werden um die Themen Datensicherheit und Schutz vor Industriespionage.
Herr Bosbach, Sie haben mit Blick auf die Datenspionage des US-Geheimdienstes NSA Konsequenzen fr das geplante Freihandelsabkommen der USA mit der EU gefordert. Welche Konsequenzen knnten das sein?
Wolfgang Bosbach: Das Freihandelsabkommen hat sowohl fr die USA als auch fr die EU eine groe wirtschaftliche und politische Bedeutung. Aber es muss dringend um die Kapitel Datenschutz, Datensicherheit und Schutz vor Industriespionage ergnzt werden. So wichtig ein freier Handel ist, so wichtig ist auch der Schutz nicht nur der privaten Kommunikation, sondern auch von Betriebsgeheimnissen wie zum Beispiel sensiblen Forschungsergebnissen, die fr die Unternehmen von berragender wirtschaftlicher Bedeutung sein knnen.
Kanzlerin Angela Merkel hat verrgert auf die jngsten Enthllungen reagiert. Wenn sich besttige, dass die NSA diplomatische Vertretungen der EU und europischer Lnder ausgespht habe, sei das “inakzeptabel”. Sehen Sie das genau so?
Bosbach: Da hat sich die Kanzlerin noch sehr diplomatisch ausgedrckt. Das ist unter keinem Gesichtspunkt akzeptabel. Hier drngt sich der Eindruck auf, als sei Terrorabwehr oft nur ein Vorwand fr Spionagettigkeit, die wir in diesem Ausma eigentlich nur aus der Zeit des Kalten Krieges kennen. Die Amerikaner werden ja wohl nicht ernsthaft bei Institutionen der EU in New York oder Washington Untersttzung fr den internationalen Terrorismus vermuten.
Wie gro ist Ihrer Meinung nach der entstandene Schaden im transatlantischen Verhltnis?
Bosbach: Es gibt eine Vertrauenskrise – und ich frchte, sie wird bleiben, wenn die Fragen, die die Bundesregierung an Washington und London gerichtet hat, nicht berzeugend beantwortet werden. Wir haben immer betont, dass wir uns mit Grobritannien nicht nur in der Wirtschaftsgemeinschaft EU oder mit den USA in der Verteidigungsgemeinschaft NATO befinden, sondern dass dies Wertegemeinschaften sind. Und von Partnern einer Wertegemeinschaft muss man erwarten, dass sie fundamentale Freiheits- und Brgerrechte verteidigen und nicht auer Kraft setzen.
US-Prsident Barack Obama hat den Europern Aufklrung zugesagt und betont, man prfe den “Spiegel”-Artikel. Es sei noch unklar, welche Geheimdienstprogramme darin genau angesprochen worden seien. Wenn dies geklrt sei, wrde er “unsere Verbndeten angemessen unterrichten”. Muss man aus dieser Aussage ableiten, dass Washington nur das zugibt, was ohnehin durchgesickert ist?
Bosbach: Es ist durchaus mglich, dass Prsident Obama nicht jede Einzelheit der Aussphungsprogramme kennt. Das macht die Sache aber nicht besser. Seit geraumer Zeit wird befrchtet, dass sich Geheimdienste selbststndig machen und sich einer wirksamen parlamentarischen Kontrolle entziehen knnen. Sowohl die USA als auch Grobritannien haben nach den verheerenden Terrorangriffen ihren Geheimdiensten sehr weitreichende Befugnisse gegeben. Das ist vor dem Hintergrund der dramatischen Erfahrungen mit dem Terror zwar verstndlich, rechtfertigt aber nicht Aussphungsprogramme, die die komplette Kommunikation erfassen, und sogar die Speicherung von Kommunikationsinhalten, die keine Sicherheitsrelevanz haben.
Die USA haben ein Heer von Mietspionen engagiert – auch um die enormen Mengen an Daten besser auswerten zu knnen. Ist davon auszugehen, dass diese Privatunternehmen Daten nicht nur an die US-Behrden weiterreichen, sondern auch noch auf dem “digitalen” Markt verkaufen?
Bosbach: Das ist genau die sich daran anschlieende Frage. Wenn Grobritannien und die USA behaupten, die ausgesphten Informationen wrden nur auf Servern der Sicherheitsdienste lagern, beruhigt mich das nicht. Die Frage ist, wer unter welchen Voraussetzungen auf diese Daten zugreifen kann. Und wer diese Daten zu welchem Zweck nutzt. Natrlich werden beide Staaten behaupten, dass die Analyse der Daten nur zu Sicherheitszwecken stattfindet. Aber wenn auch Daten gespeichert werden, die keine Relevanz zur Gefahrenabwehr haben, stellt sich die Frage, warum dann berhaupt eine Speicherung stattfindet.
Sie haben Wirtschaftskriminalitt angesprochen. Es gibt aber noch andere Aspekte: Sind Informantenschutz von Journalisten oder Anwaltsgeheimnisse nur noch leere Hllen, wenn der gesamte Datenverkehr von Telefonat, E-Mail bis zur SMS ausgespht werden kann?
Bosbach: Das kommt noch hinzu. Auerdem ist es ein entscheidender Unterschied, ob man wie der Bundesnachrichtendienst den Informationsfluss nach bestimmten Suchbegriffen oder Schlagwrtern scannt, um sicherheitsrelevante Informationen herauszufiltern, oder ob eine Kompletterfassung und Speicherung der Kommunikation stattfindet. Dann geraten wichtige Freiheits- und Brgerrechte unter die Rder – wie zum Beispiel das vertrauliche Gesprch zwischen Anwalt und Mandant.
Msste es dann nicht multinationale Abkommen geben?
Bosbach: Meine Befrchtung ist, dass wir im Verhltnis zu den USA wenig erreichen, wenn wir in Europa nicht mit einer Stimme sprechen. Ganz wichtig ist, dass sich die Staaten der Europischen Union auf eine gemeinsame Vorgehensweise verstndigen und dass alle Lnder die Themen Datenschutz, Datensicherheit und informationelle Selbstbestimmung der Brger wirklich ernst nehmen. Wenn jedes Land eigene Vorstellungen entwickelt und eigene Programme hat, werden wir gegenber der amerikanischen Regierung keine groe Wirkung erzielen.
Ist die Emprung auch ein Stck weit vorgeschoben, weil die fortschreitende Digitalisierung den Geheimdiensten die Erfllung ihres berwachungs-Auftrages so erleichtert wie nie zuvor?
Bosbach: Nein, die Emprung ist verstndlich. Und sie ist gerechtfertigt, denn nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch legal oder legitim.
Glauben Sie, dass die Enthllungen ber die Geheimdienstttigkeiten beim Brger Spuren hinterlassen und sich die Nutzung von Facebook, Twitter, Google und Co. knftig ndert?
Bosbach: Wir hatten vor zwei Wochen ein Gesprch mit amerikanischen Unternehmen, die eine Niederlassung in Deutschland haben. Fr uns Bundestagsabgeordnete war es sehr interessant zu hren, dass die Reprsentanten dieser Firmen die Bundesregierung darum gebeten haben, in ihren Gesprchen mit der US-Administration die Themen Datenschutz und Datensicherheit anzusprechen und fr mehr Schutz zu werben. Diese Firmen wissen genau: Wenn die Nutzer, ihre Kunden, Vertrauen in das Unternehmen verlieren und in die Sicherheit der Kommunikation oder wenn es eines Tages europische Alternativen geben sollte im Bereich Cloud-Computing gegenber Apple, Microsoft oder anderen US-Internetriesen, geht es um Umsatz und Gewinne. Und an dieser Stelle sind die Unternehmen besonders sensibel.
Werden Sie knftig im Internet anders agieren als vorher?
Bosbach: Nein, ich werde mein Nutzungsverhalten nicht ndern, denn ich tausche hochsensible Informationen nicht online aus. Das mache ich auf andere Weise: So benutze ich fr wichtige und vertrauliche Gesprche nicht mein modernes Smartphone, sondern ein eher antikes Handy, weil ich wei, dass dieses wesentlich schwerer abzuhren ist.
Das Interview fhrte Werner Kolbe
Pressekontakt:
Landeszeitung Lneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de
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