Thursday, May 30, 2013

Regierungsberaterin im Interview – „Die Franzosen kannten das Wort Wettbewerb nicht“


Die Pariser Ökonomin Agnès Bénassy-Quéré berät die französische Regierung. Im FOCUS-Online-Interview erklärt sie, warum Präsident Hollande zu Hause als ultraliberal gilt – und was Frankreich und Deutschland voneinander lernen können. Von FOCUS-Online-Autor Stefan W. Römmelt


FOCUS Online

: Frau Bénassy-Quéré, wieso tut die französische Regierung nichts, damit die Wirtschaft an Fahrt gewinnt?


Bénassy-Quéré: Momentan ist die Regierung damit beschäftigt, den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen und die Staatsausgaben zu reduzieren. Deswegen kann sie natürlich nicht gleichzeitig die Steuern senken und die Wirtschaft fördern. Das ist sicher noch nicht viel. Aber Sie zielen vermutlich auf Strukturreformen ab.


FOCUS Online: Genau. François Hollande hat bisher nicht eine einzige Reform auf den Weg gebracht.



Bénassy-Quéré: Wir haben nicht nichts gemacht. Es gab eine Wettbewerbsvereinbarung, um die Lohnsteuer zu reduzieren. Außerdem haben die Sozialpartner eine Vereinbarung getroffen, die Kündigungen erleichtert. Und auch zeitweilige Lohnkürzungen sind möglich. So wurde mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt erreicht. Das ist nur ein erster, aber für Frankreich sehr wichtiger Schritt, da sich die Sozialpartner gemeinsam darauf geeinigt haben. Eine ziemlich gute Nachricht. Da muss allerdings noch mehr nachkommen.


FOCUS Online

: Und welche Strukturreformen wird die französische Regierung sonst noch auf den Weg bringen?


Bénassy-Quéré: Generell besteht noch viel Handlungsbedarf. Beispielsweise müssen die öffentlichen Ausgaben gesenkt werden. Auch der ineffiziente und staatlich subventionierte Wohnungsmarkt muss liberalisiert werden. Wir wissen, dass viele der Subventionen in die Taschen der Wohnungsbesitzer und nicht der Mieter fließen. Außerdem müssen die teuren und ineffizienten Weiterbildungsmaßnahmen für Erwachsene auf den Prüfstand gestellt werden. Auch der Arbeitsmarkt muss reformiert werden. Viele Wirtschaftswissenschaftler träumen von nur einem Vertrag, der flexibler ist als die langfristigen Beschäftigungsverträge und weniger flexibel als die kurzfristigen Arbeitsverträge.


FOCUS Online: Frankreich hat aktuell eine Staatsquote von 56,12 Prozent – der französische Anteil der Staatsausgaben am BIP ist der höchste in Europa. Wie könnten die Staatsausgaben gesenkt werden?


Bénassy-Quéré: Wir müssen eine Verwaltungsreform durchführen. Der Behördenapparat ist sehr undurchsichtig. Das macht es für die Firmen nicht einfach und ist möglicherweise das größte Problem. Aber hinter der Verwaltung stehen die Politiker. Sie sitzen in den Parlamenten und müssen jetzt über Reformen abstimmen, von denen sie selbst betroffen sind. Die Regierung hat zwar die Zuschüsse für die einzelnen Regionen gekürzt. Aber das hat bisher wenig gebracht.



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via Arne Ruhnau News http://arneruhnau.com/regierungsberaterin-im-interview-die-franzosen-kannten-das-wort-wettbewerb-nicht/

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